Die älteste Erwähnung von Jesus finden wir im 1. Brief des Paulus an die Thessalonicher. Thessalonich (heut: Thessaloniki / Saloniki)  liegt in Griechenland. Der Brief wurde etwa um das Jahr 53 geschrieben. Paulus hatte die Gemeinde gegründet und wurde dann brieflich mit Problemen konfrontiert, zu denen er Stellung bezog.

Er schrieb den Brief zusammen mit zwei Griechen: mit Silvanus und Timotheus "an die Gemeinde der Thessalonicher  in Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus."

Schon im ersten Satz des Briefes wird  Jesus erwähnt als der "Herr", auf griechisch "Kyrios". Dies war ein Titel, der dem römischen Kaiser gehörte, und nicht zu verstehen ist wie unser heutiges "Herr" Lehmann oder "Herr" Schulz. Herr bedeutete Herrscher. Jesus wird neben Gott "dem Vater" als Herrscher betitelt. Er steht also in der ersten Erwähnung, die wir haben, gleichrangig neben Gott!

So bezeichnet ihn Paulus, ein Mann, von dem wir relativ viel wissen, da er sich in seinen Briefen auch immer wieder zu seiner eigenen Biographie äußert. Er stammte aus Tarsus (heute: Türkei), war Jude, hatte der religiösen Partei der Pharisäer angehört und in Jerusalem studiert. Dort hatte er von der neuen Sekte der Christen gehört und sie als schädlich verfolgt. Durch ein Erlebnis, in dem sich Jesus ihm als der Auferstandene zu erkennen gab, wurde er vom Verfolger zu dem Mann, der wohl wie kein anderer dafür gewirkt hat, das Christentum im römischen Reich bekannt zu machen, und viele christliche Gemeinden gegründet hat.

Er kannte Petrus, den engsten Freund Jesu, Johannes und Jakobus, einen Bruder von Jesus (s. Brief an die Galater 118-20, 2,,11ff). Ihn selbst aber hat er zu Lebzeiten nicht gekannt. So wußte er das, was andere ihm von Jesus erzählt haben. Nun hat dies für uns leicht den Beigeschmack der Unglaubwürdigkeit. Erzählen kann man viel. Im Lauf der Jahre, wird so manches vergessen und anderes wird dazu gedichtet.

Wenn wir uns aber klar machen, dass das Gedächtnis eines Erwachsenen anders funktioniert, urteilt man auch anders. An einschneidende Erlebnisse, die unser Leben maßgeblich emotional berührt und geprägt haben, können wir uns, je älter wir werden, umso besser erinnern. Menschen in der Mitte des Lebens beginnen verstärkt wieder an ihre Jugend zu denken, eingeschlagene Lebenswege und getroffene Entscheidungen zu überdenken und so ihr Leben zu reflektieren.

Wenn wir bedenken, dass Jesus, als er am Kreuz starb ein junger Mann Anfang 30 war und seine Freunde vermutlich etwa gleichaltrig waren, dann waren sie im Jahr 53 auch etwa  um die 50. Die Zeit war für sie wie im Fluge vergangen, wie für uns heute 50jährige die Zeit seit der Wende. Wer von uns, der es als Erwachsener miterlebt hat, könnte nicht noch genau erzählen, was am 9. November 1989 geschah?

Wenn Paulus also an Menschen in Griechenland schrieb, für die auch ein Petrus ein Begriff war, konnte er nicht davon ausgehen, dass er es mit Unwissenden zu tun hatte, denen er irgendwelche phantastische Märchen erzählen konnte. Wenn er also zu Griechen von dem Juden Jesus als dem "Herrscher" redete, dann weil er ihn selbst als den Herrn der Welt erlebt hatte.

Erstaunlich ist,
  • - in wie kurzer Zeit das Leben und Wirken  von Jesus, einem Handwerkersohn aus der jüdischen "Provinz" Galliläa, im römischen Reich bekannt wurde,

  • - wie diese Nachricht dazu führte, dass Gemeinden entstanden, d.h. Menschen regelmäßig in  Privathäusern zusammenkamen, miteinander beteten, sangen, von Gott und von Jesus redeten, miteinander aßen und einander halfen.

  • - dass Juden  - und dies ist einmalig in ihrer Geschichte bis heute - Menschen anderer Völker einuden, an ihren Gott zu glauben.

  • - dass schon 20 Jahre nach Jesu Tod  Lieder, Bekenntnisse und andere durch ständige Wiederholung geformte Texte vorhanden waren, die  Paulus  als allgemein bekannt voraussetzen konnte.

  • - dass eine neue Ethik in diesen Gemeinden entstanden war und praktiziert wurde, die Paulus  mit den drei Worten "Glaube"," Liebe"  und "Hoffnung"  schon in diesem  ältesten uns erhaltenen Zeugnis, dem 1. Thessalonicherbrief benennt (Kap. 1, 4 und 5; 5,8).


Glaube ist ein Wort der Ethik, weil es im griechischen "Vertrauen" und "Treue" bedeutet. Es meint im griechischen nicht etwas, was ich nicht genau weiß, sondern im Gegenteil etwas, worin ich mir 100 % sicher bin.

Liebe heißt  Nächsten- und Fernstenliebe,  Liebe zu "Schwestern und Brüdern " in den Gemeinden. Die Gemeinden verstehen sich als Familien. Die Menschen reden sich als Geschwister an - bis heute! - ohne die vorhandenen Familien infrage zu stellen. Neu war, dass auch Unverheiratete genauso geachtet wurden wie Verheiratete. Unverheiratet zu sein und, das hieß auch, keine Kinder zu haben,war keine Schande mehr, sondern sogar ein Vorteil. So sah es Paulus, weil er als Unverheirateter mehr Zeit und Kraft für die Gründung und Begleitung von Gemeinden hatte.

Die Erwartung von einem liebevollen Verhalten der Gläubigen untereinander setzte hohe Maßstäbe an das Miteinander und führte dazu, dass andererseits auch vieles verurteilt und abgelehnt wurde, was in der Umwelt durchaus gängiges Verhalten war: z.B. Geiz, Eifersucht, Neid u.ä..

Hoffnung bedeutete die Erwartung, dass Jesus als der Richter und Retter in nicht allzu ferner Zeit wiederkommen würde. Paulus erwartete, dies noch selbst zu erleben (1. Thess.4,13-18). Gleichzeitig aber wußte er, dass sich dieser Tag nicht vorhersagen läßt, sondern kommt, wie ein Dieb in der Nacht, also gerade dann, wenn man ihn nicht erwartet (1. Thess. 5,1ff).

In diesem Zusammenhang sprach Paulus aus, was für ihn und für die Christen die "frohe Botschaft" - auf griechisch das "Evangelium" ist: "Denn Gott hat uns nicht für das Zorngericht bestimmt, sondern zur Erwerbung des Heils durch unseren Herrn Jesus Christus, der um unsertwillen gestorben ist, damit wir, ob wir wachen oder schlafen, zugleich mit ihm leben." (1. Thess. 5,9 u. 10).

In diesem Satz verschluckt Paulus einen Satzteil, der für die Logik des Satzes unabdingbar ist, nämlich dass Jesus auferstanden und nicht nur gestorben ist. Sonst könnte die Folge seines Sterbens nicht sein, "dass wir mit ihm leben".  Dieser Satz war für Paulus schon eine durch häufigen Gebrauch geprägte Formel, die auch an etlichen anderen Stellen seiner Briefe auftaucht. es ist eine zentrale Voraussetzung für sein Argumentieren in den unterschiedlichsten Fragestellungen.

Vollständig steht der Satz im Römerbrief 4,24f:
  • "...weil wir an den glauben, welcher Jesus, unseren Herrn, auferweckt hat von den Toten,

  • ihn, der dahingegeben wurde um unserer Übertretungen willen

  • und auferweckt wurde um unserer Gerechtigkeit willen."


Daran zeigt sich folgendes:
  • Die Auferweckung Jesu ist das zentrale Ereignis, das die Entstehung von christlichen Gemeinden  hervorgebracht hat.

  • Die Auferweckung setzt Jesu Tod voraus.

  • Beide Ereignisse, sein Tod wie seine Auferstehung/Auferweckung  werden zu einer "frohen Botschaft für die Menschen, weil sie mit einer positiven Folge für eben jene Menschen verbunden sind. Sie sind "für uns"/"für euch" geschehen.


Damit wird Jesu Schicksal mit dem von Menschen an ganz anderen Orten und zu ganz anderen Zeiten verknüpft, über tausende Kilometer und über Jahrzehnte, Jahrhunderte  - bis heute zu uns und rund um den Erdball.

"Er lebt, damit auch wir mit ihm leben".

Entscheidend in diesem Satz ist das "damit", dass eine Folge und einen Zweck ausdrückt (auf griechisch "hyper", "hina"), aber auch eine Beziehung zwischen den angesprochenen Menschen und Jesus voraussetzt bzw. konstruiert.

Jesu Tod und Auferstehung werden also nicht als ein bloßes geschichtliches Ereignis verstanden, sondern haben eine Wirkung auf Menschen und eine Folge für Leute, die mit dem eigentlichen historischen Geschehen überhaupt nichts zu tun hatten und haben konnten. Da es sich um eine positive Wirkung handelte, wurde aus dieser Behauptung eine "frohe Botschaft", eine "gute Nachricht , das "Eu-Angelion"-auf griechisch.

Menschen konnten auf eine positive Auswirkung für ihr eigenes Leben aus der Tatsache des Todes und der Auferstehung Jesu hoffen:
  • - Sie haben die Angst vor dem Sterben und dem Tod verloren, weil sie nun mit der eigenen Auferstehung vom Tode rechnen und nach dem Sterben das ewige Leben erwarten.

  • - Sie haben keine Angst mehr vor Gott, weil Jesus um ihrer Sünden willen gestorben und um ihrer Gerechtsprechung willen auferstanden ist (Römer 5,8-11). Damit wird alles, was Menschen von Gott trennt, durch Jesus beseitigt: ihre moralische Unreinheit, ihre Schuld, ihre Sünden.