Bei www.wort-meldungen.de habe ich folgenden Artikel im Januar 2016 veröffentlicht:
"Synoden-Entscheidungen über die künftige Entwicklung der evangelischen Kirchen
- halten sie einer Prüfung auf Urteilsheuristik stand?"
„Eine Urteilsheuristik ist eine Heuristik (überschlägige1 Denkweise), um schnell zu einer Entscheidung zu gelangen. In vielen Situationen ist es nicht möglich oder äußerst aufwändig, sämtliche Alternativen zu recherchieren und dann rational abzuwägen. Stattdessen bedienen wir uns häufig einer Urteilsheuristik, zu denen die Verfügbarkeitsheuristik, die Repräsentativitätsheuristik und die Ankerheuristik gehören, die besonders von Daniel Kahneman und Amos Tversky wissenschaftlich untersucht wurden. Auch der Attributionsfehler und die Illusorische Korrelation sind Resultate von Urteilsheuristiken. Auch Stimmungen und Gefühle können als Urteilsheuristik genutzt werden (Affektheuristik). Urteilsheuristiken gehören zu den automatischen Denkprozessen und laufen daher unbewusst, absichtslos, unwillkürlich und mühelos ab. Diese Art zu denken wird nur unterbrochen und von kontrolliertem Denken abgelöst, wenn der Gegenstand überschwellig starke Aufmerksamkeit erregt. Kontrolliertes Denken ist das bewusste, absichtliche, freiwillige, aufwändige Denken. Außerdem werden Urteilsheuristiken eingesetzt, wenn man kontrolliert denken möchte, aber wegen Übermüdung, Störung, Ablenkung und Ähnlichem nicht dazu in der Lage ist.2“ |
Daniel Kahnemann,3 gilt als einer der wichtigsten Psychologen unserer Zeit und das Erscheinen seines Buches „Schnelles Denken, Langsames Denken“ 2011 in New York und 2012 auf Deutsch sei ein Großereignis, so ein Zitat von Steven Pinker auf dem Umschlag des im Pantheon Verlag 2014 erschienenen Buches.4 Kahnemann fasst darin als fast Achtzigjähriger die Forschungsergebnisse und Erfahrungen seines Berufslebens allgemeinverständlich zusammen. Auf Religion geht er nur in einem Absatz ein.5 Er sieht wie so viele seiner Kollegen bestimmte Prägungen menschlichen Denkens in der Evolution aus dem Tierreich begründet und ist kein Christ, sondern wenn schon, dann Jude. Die Probanden für seine Forschungen waren, wie an Universitäten üblich, in der Regel Studenten. Beschäftigt haben ihn Entscheidungsfindung in der Wirtschaft, im Finanzwesen und von Ärzten sowie Alltagsentscheidungen von Bürgern. Warum funktionieren Lotterien? Warum wird was versichert?
Trotzdem hat mich vieles in seinem Buch an unsere evangelische Kirche in Deutschland und den seit der Programmschrift „Kirche der Freiheit“ 2006 forcierten „Reformprozess“ erinnert.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wie es nicht anders sein kann, wenn sich Kirchenleitende an der Wirtschaft orientieren, müssen sie auch die Fehler machen, die in der Wirtschaft gemacht werden.
Vorhersagefehler der Experten
In der Wirtschaft ist es unumgänglich, die künftige Entwicklung der Märkte für mehr oder minder großen Zeitspannen einzuschätzen und vorherzusagen, wenn man Investitionen unternimmt. Für Kahnemann lautet jedoch die erste Lektion, die es zu lernen gelte, „dass Vorhersagefehler unvermeidlich sind, weil die Welt nicht vorhersagbar ist“.6
Experten, die glauben eine unmögliche Aufgabe erfolgreich bewältigen zu können, hätten eine Rüge verdient.7 Für Vorhersagen müsse die Umgebung hinreichend regelmäßig sein und es müsse Gelegenheit geben, diese Regelmäßigkeit durch langjährige Übung zu erlernen.8 Der Erwerb von Fähigkeiten an sich erfordere neben einem geregelten Umfeld zügige und unzweideutige Rückmeldungen.9
Aber genau diese Faktoren sind heute bekanntlich nur in seltenen Fällen gegeben, da sich die Gesellschaft rasant verändert. Berufliche Erfahrungen über viele Jahre im selben Umfeld zu sammeln, ist nicht die Norm, gilt doch als Karriere günstig an möglichst vielen Orten studiert und Erfahrungen gesammelt zu haben. Vollends problematisch sieht es aus, wenn es sich um Rückmeldungen handelt. Kahnemann sieht, dass eher diejenigen belohnt werden, die irreführende Informationen geben.10 Zweifel würden unterdrückt. Doch eine unvoreingenommene Einschätzung der Unsicherheiten eines Unterfangens sei ein Eckpfeiler des rationalen Entscheidens. Stattdessen würden Erfolge als eigenes Verdienst gewertet, Misserfolge seien die Schuld anderer.11
Grundsätzlich sei der Grad der subjektiven Überzeugung bei Experten zu hoch und oftmals ohne informativen Gehalt.12 „Planungsfehlschluß“ werden zu optimistische Vorhersagen genannt. Zu einer Optimismusverzerrung komme es immer dann, wenn Personen und Institutionen freiwillig erhebliche Risiken eingehen. Helfen dagegen könne man sich mit einer Referenzklassenprognose.13 Algorithmen seien als mittelmäßig genaue Vorhersagen oftmals menschlichen überlegen.14 Darum werden sie heute auf den Finanzmärkten weltweit eingesetzt und erledigen Computer die Börsengeschäfte vergangener Zeiten.
Nun ist das Problem unserer Kirchen heute auf den ersten Blick weder ein zu großer Optimismus noch das Eingehen von zu großen Risiken. Im Gegenteil wird immer der künftige Niedergang der Zahlen beschworen, das demographische Problem, das sich in den Kirchen noch extremer auswirken würde, als in der Gesellschaft insgesamt. Mit der steigenden Zahl der Rentner würden die Kirchensteuern zurückgehen. Von den jungen Menschen sei künftig eine große Last an Pensionsverpflichtungen zu tragen. Wegen der Generationengerechtigkeit sei darum jetzt schon Vorsorge zu treffen, damit die Gelder dann, wenn sie gebraucht würden, vorhanden wären, sowohl was die Pensionen der Pfarrer und Kirchenbeamte wie die Instandhaltungskosten für Gebäude betreffe.
Optimistisch ist dieses Denken jedoch in der Hinsicht, dass es davon ausgeht, dass man das heute vorhandene Geld über Jahrzehnte beiseite legen könne und dafür auch noch so viel Zinsen bekomme, dass der Kapitalstock selbst nicht aufgebraucht werden müsse, sondern so viel Zinsen abwerfe, dass für alle zukünftigen Ausgaben in dieser Hinsicht vorgesorgt wäre. Dass dies Prognose zu optimistisch ist, zeigt sich schon heute, wo Banken Negativ-/Strafzinsen berechnen, wenn man hohe Kapitalsummen nicht abruft, sondern auf der Bank liegen lässt.
Angesichts der öffentlichen Wahrnehmung von Kirche in den Medien und ihrem Einfluss auf die Gesellschaft ist es allerdings angebracht pessimistisch zu sein. Doch für solche Situationen gilt leider: „Das Letzte, was man will, wenn man in Schwierigkeiten ist, sind noch mehr Zweifel. Dies führt dazu, das man ein Minenfeld viel leichter erkennen kann, wenn man anderen dabei zu sieht, wie sie es betreten, als wenn man es selbst tut. Beobachter sind kognitiv weniger stark beansprucht und offener für Informationen als Handelnde.“15 Insofern fällt es den Kirchenleitenden schwerer, das Feld zu erkennen, auf dem sie sich bewegen, als Beobachtern mehr vom Rande her, die zu denen gehören, die mit den gefassten Beschlüssen der Oberen leben müssen.
Doch können laut Kahnemann Organisationen Fehler besser vermeiden als Individuen. Sie denken langsamer als Individuen und hätten die Macht, geordnete Abläufe durchzusetzen, indem sie z.B. Prüflisten erstellen und ihre Einhaltung fordern, wodurch Fehlschlüsse vermieden werden können. Sie können ein Vokabular verwenden, das eine Kultur fördere, in der Menschen aufeinander aufpassen und sich warnen, wenn sie Fehlschlüssen erliegen. Dazu gehöre eine faire Behandlung von Kritikern.16
Doch Zweifel werden in der Praxis auch außerhalb der Kirchen häufig unterdrückt,17 Rückmeldungen zu den grundlegenden Papieren des sogenannten Reformprozesses „Kirche der Freiheit“ der EKD und „Salz der Erde“ in der EKBO waren weder erwünscht noch wurden sie berücksichtigt. Kritiker werden totgeschwiegen, abgestraft und versucht mundtot zu machen, wie es Stephan Scheidacker aus dem Reformkirchenkreis Wittstock-Ruppin erging und ergeht.
Wo gibt es in unserer Kirche Prüflisten, wodurch Fehlschlüsse vermieden werden können?
Vertrauen in eine Institution ist laut Kahnemann kein verlässlicher Maßstab für Entscheidungen.18 Blindheit gegenüber Fakten sei nicht selten theorieinduziert, einfach weil es mühsam sei, Ergebnisse anzuzweifeln, die mit Hilfe der Theorie sich bisher gut erklären ließen, bei den neuen, bisher ausgeblendeten Fakten aber nicht mehr.19 So werden selbst Kostensteigerungen aufgrund der „Reform“ durch nun nötige ausufernde Verwaltung und Fahrtkosten als unabänderlich hingenommen, statt nach besseren Modellen für die Zukunft zu suchen.
Auch wird nach Kahnemann oft die Konkurrenz vernachlässigt.20 Man sehe nur die eigene Institution und die eigenen Ziele, aber achte nicht auf jene, die Vergleichbares tun oder erreichen wollen.
Das trifft aus meiner Sicht in großem Maße auf unsere Kirchen zu. So ist bei den evangelischen Kirchen nur die in Deutschland etwa gleich starke katholische im Blick, allenfalls noch orthodoxe Kirchen, nicht aber die vielen kleinen Freikirchen und Gemeinschaften, in und außerhalb der ACK bzw. des Ökumenischen Rates. Ebenso werden die Bürgerbewegungen, Vereine, Netzwerke und Organisationen, die vergleichbare Themen wie die Kirchen ansprechen, in viel zu geringem Maße beachtet. Anders ist dies bei einzelne Kirchengemeinden, die lokal mit jenen zusammenarbeiten und sie als Partner akzeptieren. Die Landeskirchen und die EKD aber blicken fast ausschließlich auf den Staat und die Parteien als Partner und haben damit ein sehr enges Framing, d.h. nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Gesellschaft im Blick.
Fusionen sind als Mittel der Effizienzsteigerung ungeeignet
Wenn Fusionen eingegangen werden, seien die Führungskräfte weniger kompetent, als sie zu sein glauben. Darum sind laut Kahnemann Fusionen wertvernichtend.21 Komplexität ist in der Wissenschaft ein Kostenfaktor,22 und sicher nicht nur dort. Das heißt je komplexer Institutionen werden, um so schwieriger sind sie zu managen und um so teurer wird die Verwaltung.
Eine negative Wirkung hätten auch Auszeichnungen von Chefs. Diese würden künftig mehr Zeit für die Wahrnehmung externer Termine benötigen, Bücher schreiben und eher zu Bilanzkosmetik neigen.23
Verlieren missfalle Menschen stärker, als das Gewinnen gefalle. So kann man von einer Verlustaversion ausgehen.24 Darum sei es so schwer, Veränderungen zum Schlechten zu akzeptieren.25 Eine Kombination von Verlustaversion und engem Framing, d.h. einem Betrachten der eigenen Lage in einem engen gesellschaftlichem Rahmen, sei ein kostspieliger Fluch.26
Wir Menschen würden sorgfältig Buch führen und uns weigern, Verluste zu begrenzen, wenn es bedeuten würde, unser Scheitern einzugestehen.27
Wer versuche, bereits entstandene Kosten durch noch mehr Investitionen zu retten, erliege dem Fehlschluss versunkener, irreversibler Kosten. Es sei ein typisches Problem, das von Aufsichtsräten erkannt, zum Austausch des Vorstandschefs führe. Dem neuen fällt es leichter, in der Vergangenheit entstandene Kosten als irreversibel anzuerkennen und eine neue Strategie zu beginnen, als dem dafür Verantwortlichen.28 So ist der Austausch von Führungspersönlichkeiten in solchen Fällen eine Frage der Klugheit, um Mehrkosten und ein sicheres Scheitern zu vermeiden.
Andererseits ist das Vermeiden jeglichen Risikos auch teuer. „Eine Risikostrategie ist ein breiter Rahmen, der eine konkrete risikoträchtige Wahl in eine Gesamtheit ähnlicher Wahlen einbettet.“29 Risiken jedoch werden in unseren Kirchen vermieden, z. B. das Risiko auf Rechte aus kaiserlichen oder gar der napoleonischen Zeiten freiwillig und ohne Druck von außen zu verzichten. Um das Risiko zu vermeiden, etwas weniger und langsamer Kirchensteuer einzunehmen, wurde vor dem Bundestag darauf beharrt, die Kirchensteuer auf Kapitalerträge vom Finanzamt einziehen zu lassen. Doch Schuld für den nun erfolgten massiven Anstieg von Kirchenaustritten haben nun nicht die, die dies zu verantworten haben, sondern die Gemeindeglieder, die nicht verstehen, dass es sich nicht um eine neue Steuer, sondern nur um einen bequemeren Einzug handele, bzw. jene, die das nicht richtig oder nicht rechtzeitig kommuniziert hätten.
Zielorientiertes Arbeiten
Ziele sind für Kahnemann Referenzpunkte, an dem künftig Erreichtes gemessen wird. Ein Ziel nicht zu erreichen, sei ein Verlust.30
Für eine geringe Hoffnung, einen großen Verlust zu vermeiden, nähmen Menschen eine hohe Wahrscheinlichkeit in Kauf, alles noch schlimmer zu machen. Das mache aus beherrschbaren Misserfolgen Katastrophen.31
Einen Plan könne man sich leicht vorstellen, aber die Alternative des Scheiterns nur sehr diffus, weil der Plan auf zahllose Weise schiefgehen kann.32
„Menschen erwarten stärkere emotionale Reaktionen (einschließlich Reue) auf ein Ergebnis zu zeigen, das durch Tun zustande kommt, als auf das gleiche Ergebnis, wenn es durch Untätigkeit zustande kommt.“33 Dabei sei entscheidend nicht der Unterschied zwischen Begehung und Unterlassung, sondern die Unterscheidung zwischen Standardoptionen und Handlungen, die vom Standard abweichen.34
Wenn die Kirche immerwährend zu reformieren ist (ekklesia semper reformanda), dann ist dies die Standardoption. Die Frage ist nur, wird sie den Zeitbedürfnissen, dem Zeitgeist, angeglichen, so dass sie hinfort von anderen Institutionen ihrer Zeit nicht mehr zu unterscheiden ist, oder wird sie der Botschaft Jesu Christi angepasst, nachdem sie zeitweise dem Zeitgeist gefolgt war.
Kahnemann stellt fest, dass unser emotionaler Zustand durch das bestimmt würde, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten. Diese sei in der Regel bei unserer gegenwärtigen Aktivität sowie unserem unmittelbaren Umfeld.35 Wer intensiv die Bibel liest, ist also davon mehr beeinflusst, als jemand, der dies nicht tut. Wer sich mit Geld beschäftigt, neige dazu egoistischer zu sein als jemand, der nicht damit konfrontiert ist.36
Für Kahnemann ist der Faktor Glück entscheidend für den Erfolg einer Unternehmung. Unvermeidbar dagegen sei eine statistische Regression.37 Das heißt, es wird nicht immer aufwärts mit der Entwicklung eines Unternehmens gehen. Wir kennen das aus der Bibel: Auf die biblischen sieben guten Jahre folgen die sieben mageren, so dass sich über die Jahre ein Mittelwert bilden lassen könnte.
Biblischer Texte als Korrektiv allgemeinmenschlichen Verhaltens und Denkens
D. Kahnemanns Beschreibung allgemeinmenschlichen Verhaltens |
Biblische Erzähltraditionen als Korrektur dieses Verhaltens |
Menschen würden ständig Geschichten erfinden. Je weniger Tatsachen bekannt sind, um so leichter sei dies.38 Eine gute Geschichte sei in sich stimmig, konsistent, aber nicht unbedingt vollständig. Wir kennen das seit Kindheitstagen: Eine den Hörer bzw. Leser zufriedenstellende Geschichte endet mit einem Happyend, in der Regel aber nicht mit dem Tod der handelnden Personen („Wenn sie nicht gestorben sind, dann |
Anders die biblischen Geschichten. Sie verlangen nach einer Fortsetzung, selbst wenn der Tod der Hauptperson erzählt wird. Denn das Problem ist noch nicht gelöst. Sie sind trotz ihrer so unterschiedlichen literarischen Gattungen als ein Fortsetzungsroman erzählbar. Sie wurden über mehr als tausend Jahre weiter gedichtet und erzählt bis sie in der Auferstehung Jesu und dem nahen Weltende ihre Auflösung erfuhren. |
Kahnemann stellt fest, dass Geschichten der Dummheit, den Absichten und der Begabung eine größere Bedeutung zu schreiben als dem Glück.39 |
Wenn wir Glück mit Segen übersetzen, trifft dies auf biblische Geschichten nicht zu. Denn in ihnen ist das Handeln Gottes die entscheidende Komponente. |
Das menschliche Selbst sei stärker motiviert, negative Selbstdefinitionen zu vermeiden, als positiven zu folgen.40 |
In der Bibel werden die Leser jedoch förmlich mit negativen Definitionen überschüttet. Der Mensch ist Sünder. Wer diese negative Selbstdefinition vermeidet, wird von Jesus als selbstgerechte Pharisäer zum negativen Prototyp gemacht. |
Ungewöhnliche Ereignisse seien in der Fantasie leichter ungeschehen zu machen als normale Ereignisse, denn diese aktivieren die Vorstellung, die unter diesen Umständen normal gewesen wäre.41 |
In der Bibel werden wir mit ungewöhnlichen Ereignissen und mit einem ungewöhnlichen Volk konfrontiert. Durch ständige Wiederholungen und das Reflektieren darüber werden sie eingeprägt. |
Seltene Ereignisse würden bei Entscheidungen aufgrund globaler Eindrücke oft untergewichtet.42 |
In der Bibel werden seltene Ereignisse überliefert und in den Mittelpunkt gestellt. |
Worte oder Gegenstände, die uns an gute Werte erinnern, haben eine nachweisbare Wirkung auf Menschen, wenn sie auch |
Die Bibel enthält sehr viele solche positiven Priming-Effekte auslösenden Worte und entsprechende Geschichten. |
Negativ besetzte Worte wie Krieg ziehen die Aufmerksamkeit der Menschen mehr auf sich als positiv besetzte wie Frieden.44 |
Die Bibel enthält viele Geschichten, die solch negativen Worte und Bilder enthalten, aber konfrontiert inhaltlich mit den positven. |
Schlussfolgerungen
Mit der Heiligen Schrift, unserer Bibel, haben wir ein Buch in der Hand, das uns zum Denken zwingt, denn es entspricht nicht den Geschichten, die wir Menschen uns normalerweise zusammenreimen, besonders dann, wenn wir wenig wissen.
Bewusstes und kontrolliertes Denken ist äußerst anstrengend. Man muss dazu ungestört sein und gut ausgeschlafen. Das ist nötig für die Predigtvorbereitung, wenn man die Provokation der biblischen Texte im Blick auf unser Alltagsdenken annimmt und unser Alltagsweltwahrnehmung daraufhin kritisch überprüft. Bisher wurde mein Blick dadurch immer geweitet und im Blick auf mein Denken, Handeln und Fühlen kamen mehr Optionen ins Gespräch als ohne die biblische Herausforderung.
38 Kapitel hat das Buch von Daniel Kahnemann und in jedem geht es um Denkfehler. Es fällt mir auch nach anderthalb Jahren der Beschäftigung damit schwer, mir diese auch nur annähernd zu merken. Noch viel weniger wird es im Alltag gelingen, sie zu vermeiden. Das gelingt selbst einem Kahnemann nicht, der sie sein Leben lang erforscht hat, wie er selbst gesteht und beschreibt.45
Schlimm jedoch wird es, wenn in großen Institutionen wie unseren evangelischen Kirchen, diese Erkenntnisse aus der Forschung nicht zur Kenntnis genommen und angewandt werden. Das betrifft vor allem den Umgang mit Kritikern.
Sicher freut sich niemand, der nach viel Mühe Beschlüsse, die er für nötig hält, durch alle darüber zu entscheiden habenden Gremien gebracht hat, wenn dann Kritik laut wird. Doch führe die Unterdrückung von Zweifeln zur Selbstüberschätzung von Gruppen, sagt Kahnemann.46 Dagegen empfiehlt er die „Prä-mortem-Methode“ von Gary A. Klein47, die darin bestehe, Zweifel zuzulassen. Auch ermuntere sie Befürworter der Entscheidung, nach möglichen Gefahren zu suchen, die bis dahin nicht in Betracht gezogen wurden. Klein schlug vor, eine Gruppe von Personen, die bestens mit dem zu entscheidenden Problem vertraut sind, vor dem endgültigen Beschluss zu einer Sitzung einzuladen und ihnen die Aufgabe zu geben, sich vorzustellen, dass der zu fassende Beschluss umgesetzt wurde und nach einem Jahr zu einer Katastrophe führte. Dazu soll jeder der Anwesenden in fünf bis zehn Minuten eine Geschichte schreiben.
Diese Methode sei kein Allheilmittel gegen unliebsame Überraschungen, schreibt Kahnemann, aber begrenze das Schadenspotential von Plänen, die einem unkritischen Optimismus und anderen Denkfehlern unterliegen.48
Darum sollte auch der „Reformprozess“ unserer evangelischen Kirchen in Deutschland, auch wenn alle dafür nötigen Synodenbeschlüsse inzwischen gefasst wurden, immer noch und immer wieder kritisch angefragt werden und Diskussionen auslösen, ja möglicherweise auch Korrekturbeschlüsse auslösen dürfen. Besser früher als zu spät, auch wenn wir kurz vor dem 500. Jubiläum unsere Kirchen stehen. Jedenfalls dann, wenn die schon gefassten Beschlüsse ohne die Prä-mortem-Methode und die ausführliche Konfrontation an biblischen Texten beschlossen wurden. Andernfalls droht auch einer 500jährigen Institution möglicherweise eine Katastrophe.
Katharina Dang
1 durch Überschlagen erfolgend
2 http://de.wikipedia.org/wiki/Urteilsheuristik, Zugriff am 12.11.2014
3 „ israelisch-US-amerikanischer Psychologe und emeritierter Hochschullehrer, der 2002 mit Vernon L. Smith den Wirtschafts-Nobelpreis erhielt. Die zugrundeliegende, ausgezeichnete Prospect Theory entwickelte er mit Amos Tversky“ , geb. 1934 in Tel Aviv, (http://de.wikipedia.org/wiki/Daniel_Kahneman, Zugriff am 12.11.2014)
4 ISBN 978-3-570-55215-5
5 Ebd., S. 488
6 S. 273
7 S. 298
8 S. 296
9S. 515
10 S. 324
11 S. 325, S. 517
12 S. 296
13 S. 308
14 S. 296
15 S. 517
16 ebd., S. 517
17 S. 325ff
18 S. 296
19 S. 340
20 S. 320
21S. 318f
22 Vgl. S. 346
23 S. 319
24 S. 346
25 S. 358
26 S. 417
27 S. 421
28 S. 425
29 S. 419
30 S. 372
31 S. 392
32 S. 400
33 S. 428
34 S. 428
35 S. 486
36 Vgl. S. 76
37 S. 257
38 S. 114
39 S. 247f
40 S. 371
41 S. 427
42 S. 407
43S. 72
44 S.370
45 S. 516
46 S. 327
47 https://en.wikipedia.org/wiki/Gary_A._Klein- Zugriff am 3.1.2016
48 S. 326f