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Das christologische Hyper bei Paulus – Tradition und Interpretation
geschrieben im Frühjahr 2020

Lieber Professor Schenke,

auch wenn Sie mir nicht das Thema für meine Diplomarbeit gegeben haben, - das war Dr. Baumbach. Doch möchte ich Ihnen schreiben, was daraus geworden ist. Sie haben ja sicher Gelegenheit, es Ihrem Kollegen zu erzählen. Ich habe sie beide sehr geschätzt und neben Dr. Thiel waren sie beide es, die mich in Berlin an der Sektion Theologie der Humboldt-Universität gehalten haben. Sie wissen ja, es waren spannungsreiche Zeiten. Mir hat imponiert, wie genau Sie beide waren, kein Komma war zu gering, um nicht darüber nachzudenken.

Von ihren Sprachkenntnissen haben wir eine Ahnung bekommen, als Sie für ein Jahr in den USA sein durften, um eine Nag Hammadi-Schrift eines Superreichen in dessen Privatbibliothek zu übersetzen und für die wissenschaftliche Herausgabe vorzubereiten. (Das Thomas-Buch (Nag-Hammadi-Codex II,7). Berlin 1989,)

Ich habe in Erinnerung, dass es nur Fünf auf der Welt gab, die das gekonnt hätten und Sie durften das dann tun. Wie schön war es, als Sie wieder da waren und uns von den Erlebnissen erzählten.

Sie haben mir genauso wie Dr. Baumbach eine Eins für meine Diplomarbeit gegeben und hinterher wurde Sie von der Sektion noch zur Messe der Meister von Morgen eingereicht, die in Leipzig stattfand. Auch wurde ich mit dem erstmalig verliehenen Dietrich-Bonhoeffer-Preis dafür ausgezeichnet.

In der letzte Studienwoche nach den Prüfungen, war es üblich, dass wir Studenten uns von den Professoren aller Hauptfächer ein Thema wünschen konnten. Wir wählten das Thema Auferstehung. Ich habe in Erinnerung, dass wir den Eindruck hatten, dass sie ja alle eigentlich gar nicht daran glauben würden.

Trotz des Ergebnisses meiner Diplomarbeit, dass die von Paulus benutzten sogenannten Sterbeformeln „Christus ist für uns gestorben“ eigentlich eine Auferstehungsformel ist, konnte auch ich mit der Auferstehung wenig anfangen. Ich hatte erkannte, dass die Formel länger ist, nämlich noch einen Finalsatz hat: "damit wir mit ihm leben". Das setzt rein logisch voraus, dass Jesus auch lebt, also auferstanden ist. Doch ich war jung, 24 Jahre. Da schien der Tod noch weit entfernt zu sein.

Das änderte sich im Jahr darauf, als unser Sohn gerade geboren war. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nach dem Studium hatte ich an der Universität in Greifswald die Möglichkeit erhalten, ein Forschungsstudienplatz zu erhalten. In Zweifeln im Blick auf die christliche Botschaft nahm ich es als Chance wahr, die marxistischen Vorwürfen gegen das Christentum zu überprüfen. Ich suchte nach Quellen, die an einem Ort über einen längeren Zeitraum die Verkündigung dokumentierten. Das ermöglichten mir die noch vorhandenen Predigten der Berliner Hof- und Domprediger zu Tod und Auferstehung Jesu. Ich erlebte, dass diese alten Predigten mir sehr viel Kraft schenkten, diese Zeit, die eine des Kampfes um unsere Heirat war, durchzuhalten, weil sie mich persönlich berührten und in mir die Gewissheit auf Auferstehung stärkten.

Nach dem Studium hätte ich nicht Pastorin werden können. Durch diese alten Predigten aber wurde das möglich. So begann ich mit dem Vikariat und lernte dabei auch Ihre Frau kennen und schätzen.

Einmal haben Sie auf unserem Pfarrkonvent einen Vortrag gehalten und einmal hatte ich Sie in die Gemeinde eingeladen, weil ein Buch über angebliche Morde in Zusammenhang mit der Erforschung der Qumranrollen die Gemüter bewegte. Sie waren so voller Verständnis für die, die mit ihren Forschungen mal in die Medien kommen bzw. die Forschungsarbeit mittels Kriminalromanen der Öffentlichkeit bekannt machen wollen.

Inzwischen bin ich nun im Ruhestand und beim Durchblättern einer Zeitschrift mit einem Artikel über Bestattungskultur sah ich Ihren Grabstein mit der Aufschrift „Eine Hypothese bleibt eine Hypothese“. Dem Verfasser /Fotografen war offensichtlich nicht bewusst, wessen Grabstein er da abgebildet hatte.

Da ich nun Zeit hatte, entdeckte ich beim Durchblättern zehn Jahre alter theologischer Zeitschriften, dass das Thema, warum Jesu sterben musste, immer noch theologisch kontrovers diskutiert wurde, so auch im Deutschen Pfarrerblatt, was mich schon im letzten Jahr schockiert hatte. Ich entnahm den Aufsätzen, dass meine Erkenntnis von vor 40 Jahren bisher wohl noch kein anderer gleichfalls gewonnen hat. So entschloss ich mich, meine Diplomarbeit noch mal abzuschreiben. Die beiden Exemplare, die Sie und Dr. Baumbach korrigiert hatten, hatte ich all die Jahre aufgehoben. Jetzt entdeckte ich, dass aber die Anmerkungen, das Literaturverzeichnis und meine Thesen in den Exemplaren fehlten. Ich fragte in der Uni nach, ob dort die Diplomarbeiten vielleicht noch vorhanden sind, waren sie aber nicht. Da entschloss ich mich am Karfreitag 2020, die Arbeit auf meiner Webseite trotzdem zu veröffentlichen.

Nun hatte ich Gelegenheit, Ende Januar 2020 beim Emmaus-Pilgerweg im Jerusalem auch länger mit dem Schweizer Pfarrer Martin Hoegger zu sprechen und habe eine geistliche Verbundenheit gespürt. Ich schrieb ihm nach Ostern davon, dass ich meine Diplomarbeit hochgeladen habe. Die Antwort nun ist für mich ein Wunder.

Er schrieb mir, dass er ebenfalls 1980 seine theologische Abschlussarbeit zu diesem Thema geschrieben habe und schickte mir einen Link, wo ich sie mir herunterladen konnte, was ich natürlich gleich gemacht habe. Seine Arbeit ist französisch geschrieben und verwendet vorwiegend französische Literatur, die mir damals weder zugänglich gewesen wäre, noch hätte ich sie wegen mangelnder Sprachkenntnisse verwenden können, was heute anders ist.

Aber ist das nicht ein Wunder? Nach 40 Jahren nehme ich die Arbeit wieder vor und dem ersten, dem ich davon erzähle, der hat über dieselbe Thematik ebenfalls vor 40 Jahren geschrieben und wir beide haben uns jetzt kennengelernt, weil wir das 2000. Jubiläum des Sterbens und der Auferstehung Jesu vorbereiten wollen, er in der Schweiz und weltweit und ich hier in Berlin-Marzahn. Das kann doch kein Zufall sein!


Himmlischer Vater, ich danke Dir, wie Du mein Leben lenkst und mir immer wieder Mut machst, in meiner Arbeit, wie Du mich führst und Entdeckungen machen lässt, die mich verstehen lassen, was in der Heiligen Schrift steht und wie es zu verstehen ist. Ich danke Dir, dass ich immer wieder erfahren durfte, dass es Schwestern und Brüder ganz woanders in der Welt gibt, die genauso denken, wie ich. Sie haben ganz ähnliche Erfahrungen gemacht und leben dafür, dein Wort, deine frohe Botschaft weiterzusagen. Gelobt seist Du in Ewigkeit und überall in der Welt!


 

Martin Hoegger hat am 2. Januar 2025 die letzten drei Absätze meines Briefes und das Gebet ins Französische übersetzt und zusammen mit einleitenden Worten darüber, wie wir uns kennengelernt haben, auf seiner eigenen Webseite veröffentlicht.