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Der Regisseur

 

Lieber Herr Müller,

 

auch wenn Sie nicht mehr unter uns sind, aber Sie können sich sicher noch erinnern, was für eine glückliche Fügung es war, dass Sie unser Gemeindezentrum betraten, Sie der Regisseur. Wir hatten gerade als eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches zusammengesessen, weil etliche Männer in unserer Runde ein Straßentheaterstück aufführen wollten, um auf die Problematik der Armut aufmerksam zu machen. Einer von uns hatte das Stück schon verfasst. Es war für mich diskutabel, aber ich selbst fühlte mich als Schauspielerin völlig ungeeignet. Doch der Wunsch der Gruppe war stark und da ich immer versuchte, das Engagement anderer zu unterstützen, wenn es ein Angebot für alle war und unserem christlichen Auftrag entsprach, widersprach ich nicht.

Doch ich äußerte meine Zweifel an der Machbarkeit, auch angesichts unserer verfügbaren privaten Zeit. Aber die Männer blieben dabei. Und genau da kamen Sie in unser Haus, wohl einfach um es mal anzusehen, was selten bei uns vorkam, weil unser Gemeindezentrum so versteckt hinter den Hochhäusern der Mehrower Allee liegt. Natürlich erzählte ich Ihnen von unserem Vorhaben. Sie haben sich gleich bereit erklärt, in die Runde zu kommen und sich die Sache anzusehen. Für mich war Ihr Kommen ein Wunder. Wenn Gott dies so fügte, dann würde es wohl sein Wille sein, dass aus unserem Vorhaben etwas würde.

Dann verging die Zeit. Ich hörte, dass Sie im Freizeitforum eine Theatergruppe aufbauten und "Die Schneekönigin" aufführen würden. Sie brachten uns Einladungen. Doch von dem Straßentheater rieten Sie uns nun ab. Sie hatten mit Ihrem Sohn gesprochen, der Schauspieler ist. Auch er hielt das von uns vorgeschlagene Stück nicht für spielbar. Inzwischen war auch die „Luft“ bei den vom Projekt Begeisterten „raus“ und niemand mehr traurig, dass es nichts wurde. Erst recht war ich nicht traurig, angesichts meiner mangelnden Talente, des Arbeits- und Zeitaufwandes und der unsicheren Reaktionen darauf in der Öffentlichkeit.

So hatte die Fügung vom Anfang doch einen anderen Sinn, als ich zunächst verstanden hatte. Auf jeden Fall haben wir mit dem Ergebnis alle Frieden geschlossen.

In unserer Lokalzeitung las ich nach Weihnachten von Ihrer so gelungenen Aufführung der „Schneekönigin“ im Freizeitforum mit Marzahner Kindern und Jugendlichen. Was Sie begonnen haben, existiert bis heute. Von einer der Mitwirkenden weiß ich, wie viel ihr dies bedeutet und gebracht hat. So denke ich an Sie mit Dankbarkeit.




 

HERR, nicht immer habe ich Deine Fügungen richtig gedeutet. Manchmal war das für mich Naheliegende doch nicht das von Dir Bezweckte. Doch jedes Mal hat es mich glücklich gemacht. Ich habe Deine Nähe gespürt, Deine Unterstützung unserer Arbeit erlebt. Dafür bin ich Dir sehr dankbar. Ohne dieses Gefühl wäre für vieles keine Kraft und kein Mut dagewesen. Das ist wahr.