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Zeitungsberichte über die Verhaftung Wedekes in Freiburg im Breisgau

 

 

Haftbefehl gegen E. Wedeke vom 20.10.18581


Verhaftung Wedekes in Freiburg (Baden) am 28.10.18582



3. November 1858: Königlich Privilegierte Berlinische Zeitung in Staats- und Gelehrten-Sachen3, S. 2, rechte Spalte:

„Aus guter Quelle“ meldet der „Publ.“, dass die letzte Reise, welcher der Staatsanwalt Nörner und der Polizeidirektor Stieber dienstlich unternommen, nicht der Ihrer Majestät der Königin abhanden gekommene Kassette, sondern eine ganz andere, vielfach interessante Angelegenheit, nämlich die Verhaftung des berüchtigten, früher vielfach genannten Geheimen Hofrat, Ritter vieler Orden, Wedecke betraf.

Bedecke, früher Chef der Geheimen Polizei unter dem Rochowschen Ministerium und noch früher Sekretär des nicht weniger berüchtigten Geheimen Regierungsrats von Tzschoppe hatte sich in der letzten Zeit in Paris etabliert und dort große schwindelhafte Aktiengesellschaften gegründet, durch welche er hochstehende Personen um enorme Summen betrogen.

Später hatte er seinen Aufenthalt in der Schweiz, nahe der badischen Grenze genommen, von wo aus er bis Berlin spielende verbrecherische Handlungen beging, welche zu einem von der Ratskammer des hiesigen Stadtgerichts beschlossenen Haftbefehls führten. Auf Grund dieses Befehls haben Hr. Nörner und Hr. Stieber die Reise nach Baden unternommen. Hier ist durch Hrn. Stieber der Augenblick genutzt worden, wo Wedecke die badische Grenze überschritt, um ihn als preußischen Untertan zu verhaften.

Wedeke ist in einem badischen Gerichtsgefängnis einstweilen in Sicherheit gebracht und es wird nach geschlossener Auslieferungsverhandlung mit der badischen Regierung von dort seine Abführung nach Berlin in das hiesige Gefängnis, um hier vor Gericht gestellt zu werden, erfolgen. Wie wir weiter hören, ist in die Wedeksche Angelegenheit auch ein hier wohnhafter bekannter Getreidespekulant verwickelt, dessen Verhaftung bereits, gleichfalls in Folge richterlichen Befehls, geschehen ist.“



26. November 1858: Erklärung des Staatsanwalts Nörner, abgedruckt in einer Zeitung:4

„Über die in Freiburg, im Grußherzogtum Baden, erfolgte Verhaftung des Geheimen Hofrats a.D. Wedeke und die Gründe zu dieser Verhaftung werden in verschiedenen auswärtigen Blättern, namentlich Schweizer Zeitungen, umständliche Mitteilungen verbreitet. Diese Mitteilungen sind mit Ausnahme geringfügiger Nebenumstände von Anfang bis zu Ende von Schweizer Korrespondenten, welche lediglich durch politischen Hass getrieben werden, jede nur denkbare Gelegenheit zu benutzen, um die Preußischen Institutionen und das Preußische Königshaus zu verunglimpfen, teils erfunden, teils entstellt.

Da die Untersuchung gegen Wedeke noch in der Voruntersuchung schwebt, so liegt es in der Natur der Sache, dass der spezielle Sachverhalt derselben zur Zeit nicht veröffentlicht werden kann. Um jedoch zu verhindern, dass die oben erwähnten lügenhaften Mitteilungen der Schweizer Blätter bei der Beurteilung dieses Sachverhalts zum Maßstabe genommen werden, halte ich mich schon jetzt zu den nachstehenden Erklärungen für verpflichtet:

  1. Die Mitteilung der Schweizer Blätter, dass dem Wedeke, der sich den Titel „Baron Hermsdorf“ angemaßt hat, für die Herausgabe von Papieren, welche eine hochstehende Person kompromittieren sollen, die Summe von 20.000 Frk. und später von 60.000 Frk. oder überhaupt irgend eine Geldsumme geboten worden sei, ist eine rein aus der Luft gegriffene Unwahrheit.

  2. Meiner amtlichen Überzeugung nach befindet sich Wedeke gar nicht im Besitz solcher Papiere; die desfallsige Behauptung, welche er allerdings verbreitet hat, ist von ihm lediglich erfunden, um solche zu Betrügereien und Erpressungen auszubeuten.

  3. Zu Recht beständige Forderungen des Wedekes an irgend eine, dem preußischen Königshause angehörende Person existieren nicht. Wäre derselbe hiervon nicht selbst durchdrungen, so würde er seine Ansprüche jedenfalls bei dem kompetenten Preußischen Gerichtshofe verfolgen.

  4. Wedeke ist von einem Preußischen Polizeibeamten, welcher hierzu amtlich beauftragt war, auf deutschem Bundesgebiet in einer Weise verhaftet worden, durch welche weder irgend ein Gesetz noch ein Staatsvertrag verletzt worden ist. Weder bei der Verhaftung, noch bei der Beschlagnahme der Papiere des Wedekes ist irgend ein Badischer Polizeibeamter beteiligt gewesen, und sind alle in dieser Beziehung verbreiteten Nachrichten und Verunglimpfungen der Badischen Beamten unwahr. Die Badischen Behörden haben Wedeke erst nach der Verhaftung dem Preußischen Beamten abgenommen, wozu solche nach den bestehenden Staatsverträgen verpflichtet waren, und die Auslieferung des Wedeke, welcher noch heute Preußischer Untertan ist, ist in völlig gesetzlichen Wege veranlasst worden.

  5. Namentlich ist es eine rein aus der Luft gegriffene Erfindung, dass eine zu Wedeke in näherer Beziehung stehende Frauensperson widerrechtlich ihrer Freiheit beraubt worden sein soll, um die Papiere des Wedeke zu erlangen. Es hat eine solche Freiheitsberaubung auch nicht einen Augenblick, weder auf Schweizerischem noch auf Badischem Gebiete statt gehabt. Diese Frauensperson ist ohne allen Zwang aus eigener Entschließung mit den Papieren des Wedeke aus der Schweiz nach Freiburg gekommen, um diesen dort selbst zu sprechen und ihm die Papiere persönlich zu übergeben. Bei der Beschlagnahme der Letzteren hat in keiner Weise die Absicht obgewaltet, sich dieser Papiere persönlich zu bemächtigen, weil (diese) solch eine hochstehende Person kompromittieren könnten, sondern nur um den Tatbestand für die gegen Wedeke anhängige gerichtliche Untersuchung festzustellen.

Berlin, den 26. Nov. 1858 Der erste Staats-Anwalt beim Königl. Stadtgericht Nörner




3. Dezember 1858: Königlich Privilegierte Berlinische Zeitung in Staats- und Gelehrten-Sachen5, S. 4:

Karlsruhe, 30. November. Die offizielle Karlsr. Ztg. schreibt: Schweizer Blätter, nämlich der „Bund“ und das „Tagblatt der Stadt Basel“ besprachen vor kurzem mit der Bezeichnung „Verletzung des schweizerischen Gebiets“ die Verhaftung des vormaligen Königl. preußischen Geheimen Hofrats Wedecke in Freiburg und knüpften daran eine Reihe von Verdächtigungen gegen Großh. Behörden, insbesondere die Polizeibeamten, welche dabei tätig waren. Wir antworten diesen Blättern nicht, glauben jedoch, mit dem wahren Sachverhalt bekannt, diesen unserm Leserpublikum nicht vorenthalten zu sollen.
Am 28. vorigen Monats erschien bei dem Polizeiamt in Freiburg der Königl. Preußische Polizeidirektor Stieber aus Berlin, zeigte zu seiner Legitimation einen Verhaftsbefehl des Königl. preußischen Stadtgerichts Berlin vom 20. Okt. l.J. gegen den vormaligen preußischen Geh. Hofrat Wedecke, genannt „Baron von Hermsdorf“6, wegen Betrugs und versuchter Erpressung vor, und bat um den schleunigen Vollzug, da, so viel er wisse, Wedecke mit dem nächsten Bahnzug in Freiburg ankommen werde. Nach der Bestimmung des Bundesbeschlusses vom 26. März 1854 durfte sich das Großh. Polizeiamt dem Vollzuge dieses Antrags nicht entziehen. Der mit dem Vollzug beauftragte Polizeikommissar begab sich sofort mit Hrn. Stieber an den Bahnhof und als ihm dort bei Ankunft des Bahnzugs Hr. Wedecke bezeichnet worden war, vollzog er die Verhaftung und brachte diesen ohne alles Aufsehen in einer Droschke in das Gefängnis. Der Großh. Polizeibeamte, sogleich hiervon benachrichtigt, nahm sofort über die Verhaftung und den Antrag auf Auslieferung des Verhafteten an die Königl. Gerichtsbehörde in Berlin ein Protokoll auf und stellte dasselbe nach Vorschrift des erwähnten Bundesbeschlusses dem Großh. Amtsgericht in Freiburg zu, zu dessen Verfügung hiernach auch der Verhaftete gestellt wurde.
Tags darauf als der Polizeikommissar wieder im Dienste im Bahnhof war und ihm dort bemerkt wurde, dass ein Frauenzimmer mit den Effekten7 des verhafteten Wedecke angekommen sei, nahm er dieselben, nachdem er sich von der Wahrheit der Angabe überzeugt hatte, sofort in Beschlag und lieferte sie seiner vorgesetzten Behörde, auf deren Anordnung sogleich deren Ausfolgung an das Großh. Amtsgericht erfolgt. Das Großh. Hofgericht hat nun darüber zu erkennen, ob der Verhaftete nach den gesetzlichen Bestimmungen an die Königl. preußische Gerichtsbehörde in Berlin auszuliefern sei.
In den Schweizer Blättern wird jedoch ausführlich erzählt, dass der Verhaftete, der in Pratteln8 im Kanton Baselland gewohnt, unter Täuschungen nach Freiburg gelockt, dass ebenso der Gastwirt in Pratteln, bei dem Hr. Wedecke gewohnt, durch Vorspiegelung zu der Rücksendung der Effekten nach Freiburg veranlasst worden sei, und dabei bemerkt, dass auf dem badischen Bahnhof in Baden die Frauensperson, welche die Effekten nach Freiburg bringen, auf dem Bahnhof aber wieder umkehren wollte, von einem badischen Angestellten auf eine Weise eingeschüchtert worden sei, dass sie es nicht gewagt habe, sich zu entfernen und mit dem nächsten Bahnzuge nach Freiburg abgefahren sei. Vor der Polizeibehörde in Basel wurde wegen der letzteren Beschuldigung sofort eine Untersuchung eingeleitet; dabei hat sich deren völlige Grundlosigkeit herausgestellt, und die „Basler Ztg.“ hat sofort selbst die Verteidigung des beschuldigten diesseitigen Angestellten gegen die falschen Verdächtigungen übernommen.
Ebenso haben die von der vorgesetzten Behörde angestellten, strengsten Nachforschungen dargetan, dass der Polizeibehörde und dem Polizeipersonale in Freiburg durchaus nicht der Zweck oder die Ursache der Reise des Herrn Wedecke nach Freiburg bekannt war, und ebenso wenig, wie es gekommen ist, dass dessen Effekten nachgesendet wurden. Die Polizeibehörde hat daher die Schranken ihrer Befugnisse in keiner Weise verletzt. Hr. Wedecke wurde in aller Hinsicht mit der gebührenden Schonung behandelt, und weder von ihm noch von einer andern Seite ist bei der zuständigen Behörde irgend eine Klage oder Beschwerde über das von der Großh. Polizeibehörde eingehaltene Verfahren vorgetragen worden.
Die Verdächtigungen von Seite der Schweizer Presse gegen die Großh. Polizeibehörde in Freiburg und das Polizeipersonal beruhen daher ledigliche auf falschen Unterstellungen und von einer Verletzung des schweizerischen Gebiets durch Maßregeln von badischen Behörden kann wohl keine Rede sein.


5. Dezember 1858
- ein Zeitungsausschnitt9:

- Zu einer unten stehenden Erklärung des Hrn Nörner, ersten Staatsanwalts beim königl. Stadtgericht zu Berlin, müssen wir uns einige Bemerkungen erlauben. Für's Erste schulden wir wohl den gebührenden Dank für die zarte Aufmerksamkeit, deren sich unser Blatt auch nach seiner Vernehmung in den preußischen Landen noch von Seite einer wohllobl. Staatsanwaltschaft des königl. Stadtgerichts zu Berlin erfreut. Sodann müssen wir daran erinnern, dass die Mitteilungen unseres Blattes, soweit sie zur erwähnten Erklärung Anlass boten, andern schweizerischen Journalen unter üblicher Angabe der Quellen entnommen waren. Wo diese schöpften, ist uns unbekannt; Hr. Nörner muss in dieser Beziehung glücklicher sein, da er mit dem Aplomb10 der Gewissheit von „Schweizer Korrespondenten“ spricht, 'welche lediglich durch Hass getrieben werden, jede nur denkbare Gelegenheit zu benutzen, um die preußischen Institutionen zu verunglimpfen.' Und doch wagen wir wieder sehr daran zu zweifeln, ob er im Besitz von Beweisen für die kecke Behauptung sei, und müssen daher, da uns etwas an der Ehre der schweizerischen Publizistik gelegen ist, bis zur Leistung der Beweise seine Behauptung als eines ersten Staatsanwalts bei dem königl. Stadtgericht von Berlin unwürdiger Verdächtigung der schweizerischen Presse zurückweisen. Dem Eindruck endlich, welchen besagte Erklärung, namentlich sub Ziff. 5 auf den Leser machen wird, wollen wir natürlich nicht vorgreifen.

(GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080)

 

8. Dezember 1858: ein Zeitungsausschnitt11:

 

- Zur Affaire Wedecke. Die „Basler Nachrichten“ sagen mit Bezug auf die bekannte Erklärung des Staatsanwalts Nörner in Berlin: „Wir wollen uns an den süffisanten, der schweizerischen Presse wenig günstigen Ausdrücken nicht aufhalten, womit der Verfasser seine Loyalität gegen das preußische Königshaus an den Tag zu legen beflissen ist. Wir können hier auch nicht untersuchen, ob es wahr oder unwahr sei, dass Wedecke zu einer 'hochstehenden Person' in schmutzigen und unlautern Geschäftsbeziehungen gestanden und dass er sich im Besitz von Papieren befunden habe, welche solches beweisen. Wie wir übrigens vernehmen, so sind sogar unter den in Pratteln zurückgebliebenen welche, die sich den Behauptungen des Herrn Staatsanwalts gegenüber sehr sonderbar ausnehmen werden.“

 

Zeitungsausschnitt:

 

 (GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080)

 

„Verletzung des schweizerischen Gebiets. Wir entnehmen in Folgendem den „Basl. Nachr.“ die Darstellung des Vorgangs, der hoffentlich der Aufmerksamkeit unserer Bundesbehörden nicht entgehen wird.

„Berliner Blätter berichten, dass der 'aus früheren Verhältnissen berüchtigte'“ und seit mehreren Jahren im Ausland sich aufhaltende geheime Hofrat Wedeke vom Polizeidirektor Stieber und Staatsanwalt Nörner auf Grund eines vom Kammergericht zu Berlin ausgestellten Verhaftsbefehl im Großherzogtum Baden verhaftet worden sei. Die Berliner Blätter sprechen von „Schwindel“ den Hr. Wedeke von seinem letzten Aufenthaltsort an der „schweizerisch-badischen Grenze“ nach Berlin getrieben habe.

„Wenn wir richtig vermuten, so ist der Verhaftete der gleiche, der sich seiner Zeit unter dem Namen eines Barons v. Helmsdorf zuerst in Schweizerhalle, dann in Pratteln aufhielt. Derselbe machte bedeutende Geldansprüche an den ebenfalls nicht sehr vorteilhaft bekannten Prinzen Karl von Preußen und drohte, falls ihm die Zahlung verweigert würde, mit Veröffentlichung gewisser, den Prinzen kompromittierender Papiere.

Es wurde mit ihm unterhandelt und zuerst 20.000, dann 60.000 Fr. für die Auslieferung dieser Papiere geboten. Der Herr Baron verlangte aber viel mehr.

„Letzter Tage empfing Helmsdorf oder Wedeke einen Brief von Staatsanwalt Nörner aus Baden-Baden, eine Einladung zu einer Konferenz in Baden enthaltend. Helmsdorf schrieb zurück, er könne nicht nach Baden kommen, Hr. Nörner möge in Basel sich einfinden. Hr. Nörner telegrafierte bis nach Freiburg, Zähringer Hof, wolle er entgegenkommen, aber das Schweizer Gebiet dürfe er instruktionsgemäß nicht betreten. Wedeke ging arglos nach Freiburg und – in die Falle.

Am folgenden Tag präsentierte sich im Gasthof zum Engel in Pratteln ein feingekleideter Herr, der sich für den Portier des Zähringer Hofes ausgab. Er sagte, der Herr Baron sei plötzlich sehr gefährlich erkrankt, wolle sein Testament machen und bedürfe hiezu seiner Papiere. Zur Beglaubigung wies er die Schlüssel zu den Behältern des Hrn. Barons vor. Der Portier fand Glauben, doch wurden die Papiere nicht unmittelbar an ihn ausgeliefert, sondern in einen Reisesack verpackt, einer Frauensperson übergeben, welche mit dem Portier nach Freiburg reisen und dieselben persönlich dem Hrn. Baron zustellen sollte.

Der angebliche Portier und das Frauenzimmer reisten ab. Auf dem schweizerischen Bahnhof in Basel angelangt, nahm der Portier sofort eine Droschke, indem er sagte, es sei die höchste Zeit, wenn er den Zug der badischen Bahn nicht verfehlen wolle. Auf dem badischen Bahnhof in Basel wurde das Frauenzimmer mit dem Reisesack nicht in den gewöhnlichen Wartesaal geführt, sondern in ein anderes Zimmer. Als sie fragte, wann der Zug abgehe, hieß es: in zwei Stunden, und als sie noch einen Gang in die Stadt machen wollte, wurde ihr dies verwehrt: sie war eine Gefangene. Physische Gewalt wurde dabei nicht verübt, wohl aber moralischer Zwang: ein schwaches Weib lässt sich wohl einschüchtern.

Sie fuhr also mit dem Portier nach Freiburg. Als sie nach dem Zähringer Hof gehen wollte, ließ der Portier auf einmal die Maske fallen, indem er erklärte: Jetzt ist's anders, Sie kommen mit mir. Er führte sie in ein Gebäude, dass sie als 'Amtshaus' bezeichnet. Dort wurde ohn alle Förmlichkeit der Reisesack geöffnet, die Papiere herausgenommen, der leere Sack zurückgegeben und die Person heimgeschickt, mit einer Visitenkarte des Polizeikommissars Glenzer, welcher versprach, die Rechnung des Hrn. Baron in Pratteln zu berichtigen. Der Zweck war erreicht: die preußische Polizei hatte den Baron und die Papiere.

Der Herr Baron uns sein hoher Geschäftsfreund in Berlin interessieren uns natürlich nicht im mindesten; wenn Ersterer in seinen Spekulationen die Grenze des Erlaubten überschritten hat, so mag ihn die verdiente Strafe treffen. Wohl aber interessiert uns in hohem Grade die Art, wie die Polizeigewalt eines fremden Staates in schweizerisches Gebiet hineingegriffen zu haben scheint, wofern wie wir glauben annehmen zu dürfen, unsere Informationen richtig sind. Vor allem entsteht die Frage, woher badische Angestellte das Recht nehmen, auf unserem Gebiet eine Schweizerin ihrer Freiheit zu berauben oder auch nur im Gebrauch ihrer Freiheit irgendwie zu beschränken. Wir hoffen, dass unsere Behörden die Sache gehörig untersuchen und, falls sich ein übergriff herausstellt, gebührende Satisfaktion verlangen werden. Auch der großh. Badischen Regierung kann es nicht gleichgültig sein, ob ihre Angestellten auf unserem Gebiet ihre Befugnisse überschreiten. Endlich drängt sich die Vermutung auf, dass Preußen keinen rechtlichen Grund hatte, Wedekes Auslieferung zu verlangen; sonst würde es wohl auf dem ordentlichen Weg ein Auslieferungsbegehren gestellt haben, in welchem Falle die schweizerischen Behörden ihre Mitwirkung nicht versagt hätten.



So wörtlich in etwas kürzerer Form in dem Artikel vom 11. November 1858  aus den "Züricher Nachrichten " "nach" den „Basler Nachrichten“:

 

(GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080)


(Rechts daneben: Zeitungsausschnitt aus den Züricher Nachrichten vom 12. November 1858. Da heißt es in einem weiteren Artikel  nach der „Basellandschaftl. Zeitung“:


Affaire Helmsdorf. Über die Verlockungsgeschichte schreibt die Basellandschaftliche Zeitung: Der nordamerikanische Konsul Fleischmann in Paris klagt gegen Baron v. Hermsdorf in Pratteln, und behauptet, er habe diesem Geld geliehen und Geschäfte besorgt. Bei diesem Geschäft sei aber Prinz Karl von Preußen, Bruder des Königs, beteiligt gewesen. Dieser Prinz habe sich Empfehlungen zur Erteilung einer Kolonisations-Bewilligung bei dem Kaiser Napoleon zum voraus Geld versprechen lassen, und auch sich als Mitanteilnehmer an diesem Geschäft verbindlich gemacht.

Der Prinz ließ sich bei dem Friedensgericht zu Pratteln durch einen Anwalt von Basel vertreten.

Indessen ließ der Prinz mit Hermsdorf Unterhandlungen anknüpfen, und da dieser sich für sein Guthaben mit offerierten 50.000 Fr. nicht begnügen wollte, fand sich in der Person des preußischen Staatsanwalts v. Nörner in Berlin ein Werkzeug, das den alten v. Hermsdorf unter dem Vorgeben gütlicher Unterhandlungen nach Freiburg im Badischen verlockte und ihn dort sofort verhaften ließ. Über den weiteren Verlauf geht das Basellandschaftliche Blatt mit den Basler Nachrichten einig, bringt jedoch als Aktenstück folgenden Brief:

Baden-Baden, 25. Okt. 1858

An Herrn v. Hermsdorf in Pratteln.

Mit Ew. Hochwohlgeboren habe ich in der Fleischmannschen Prozess-Angelegenheit eine notwendige Rücksprache zu halten. Im Begriff, diese Angelegenheit wegen nach Paris zu reisen, habe ich meinen Weg über Baden-Baden genommen, um das von mir gewünschte Rendezvous mit Ihnen zu ermöglichen. Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich ergebenst, mich gefälligst so schleunig, wie möglich, hier aufzusuchen, da meine Geschäfte mir einen längeren Aufenthalt hierselbst nicht gestatten. Spätestens übermorgen muss ich von hier abreisen. Insofern Ew. Hochwohlgeboren daher bis dahin verhindert sein sollen, zu reisen, ersuche ich Sie ergebenst, mir dies gefälligst umgehend, eventuell durch Telegraph mitteilen zu wollen.

Hochachtungsvoll und ergebenst

 

v. Nörner.
Königlicher Staatsanwalt aus Berlin
wohnhaft im Victoria-Hotel

 

Diesem Brief folgte dann die telegrafische Korrespondenz, in welcher v. Nörner große Eile vorschützte und Freiburg als Rendezvous vorschlägt.
Der in die Falle gegangene Helmsdorf (Hofrat Wedeke) war unter Minister Rochow Chef der geheimen Polizei.



Zeitungsausschnitt aus der Basler Zeitung vom 12. November 1858:

 

(GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080)

 

Der Vorgang mit dem geh. Hofrat Hermsdorf (Wedeke), früher Chef der geheimen Polizei1 in Berlin, der im Besitz wichtiger, eine hohe preußische Persönlichkeit kompromittierender Papiere sich befunden haben soll und von seinem Wohnsitz Pratteln (Baselland) durch die Staatsanwaltschaft von Berlin nach Freiburg i.B. Gelockt wurde, erregt in der Schweizer Presse nicht geringe Sensation. Die Erzählung, wie sie in den Blättern erscheint, soll richtig sein, sowohl in punkto der gelegten Schlinge als des Gravamens, welches die Basel. Regierung wegen der hinterlistigen Beschlagnahme der Hermsdorf'schen Papiere durch einen angeblichen Portier des Zähringer Hofes (in Freiburg) beschlägt. Dagegen ist uns in Betreff der etwas mysteriös gehaltenen Frauensperson eine Mitteilung geworden, welche in Bezug auf sie den Tatbestand verändert.

Diese Person, eine Gläubigerin des Wedeke, die demselben nach und nach in die Fr. 4000 geliehen haben soll, fuhr mit dem Portier, wahrscheinlich um bei dem Testamentsakt des angeblich schwer erkrankten Debitors nicht zu fehlen, allerdings vom Zentralbahnhof auf den badischen Bahnhof. Unterwegs wollte sie aus der Droschke steigen, sei aber daran verhindert worden. Angekommen auf dem badischen Bahnhof wurde sie aber weder durch moralische noch physische Gewalt wie eine Gefangene gehalten, auch befand sie sich nicht in einem anderen Zimmer, sondern in dem Wartesaal III. Klasse, wo sie bis zum Abgang des nächsten Zugs ungehindert ein- und ausgehen konnte, wo sie, wenn der leiseste Zwang durch den Begleiter auf sie ausgeübt worden wäre, mittelst der dort stationierten Polizei sich desselben hätte entledigen können. Die Polizeimannschaft, weder die badische noch die baslerische, merkte aber das mindeste Verdächtige. Aus dieser Darstellung muss also geschlossen werden, dass das hiesige Gebiet in der Geschichte des badisch-preußischen Polizeistreichs nicht verletzt worden ist, und die stadtbasel'schen Behörden keinerlei Veranlassung zu Reklamationen haben; der Umstand, dass die mitspielende Frauensperson auf der Fahrt durch die Stadt nicht die Droschke habe verlassen dürfen, wird von niemand als Grund angesehen werden wollen. Der handelnde Portier, der als „feingekleiderter Herr“ in Pratteln sich präsentiert hatte, soll überdies kein freiburgischer Polizist sein.


1
Dass er dies gewesen sei, davon ist mir nichts bekannt, nur dass er Geheimagent war.

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23. Dezember 1858: Schreiben des Justizministers Ludwig Benjamin Simons12 an den Regenten Prinzen von Preußen Königliche Hoheit13:

Eure Königliche Hoheit haben mir eine Eingabe des Staatsanwalts Nörner an den Prinzen Carl von Preußen Königliche Hoheit vom 20. d(ieses) Mo(nats) zum Berichte zuzufertigen geruht, und ich verfehle nicht, nachdem ich zuvor die amtliche Anzeige des Ober-Staatsanwalts Schwarck erfordert habe, dem Allerhöchsten Befehle in Nachstehendem ehrfurchtsvoll zu genügen.

Der Staatsanwalt Nörner bezeichnet in seiner Eingabe, die von mir verfügte Abberufung des Staatsanwalts Wenzel aus Berlin „als den nächsten wohlberufenden Schritt, um seinen – das Nörner -Einfluß in der Wedecke-Untersuchung zu beseitigen.“

Das Sachverhältnis dieser Abberufung ist folgendes: Wenzel ist Staatsanwalt bei dem Kreisgerichte zu Stendal, er hat da durch rasch aufeinander folgende Todesfälle Frau und Kind verloren und ich habe ihn deshalb, auf sein dringendes Bitten … einen wenigstens zeitweisen Ortswechsel, im vergangenen Jahre gestattet, bis zum 1. Februar kommenden Jahres bei der hiesigen Staatsanwaltschaft arbeiten zu dürfen.

Da die ihm gestattete Frist mit jenem Termin abläuft und nach dem Berichte des Ober-Staatsanwalts von seinem längerem Verbleiben ein Vorteil für den Dienst um so weniger zu erwarten stand, als er sich bei den im Personal der Staatsanwaltschaft des Stadtgerichts obwaltenden Zerwürfnisse der Betrügerei verdächtig gemacht und sich 1859 und auch... sonst nicht als durchaus zuverlässig erwiesen hat, so habe ich seine sich überdies von selbst verstehende Rückkehr an seinen eigentlichen Amtssitz Stendal angeordnet.

Wenn der Staatsanwalt Nörner sich nicht entblödet, diese meine „ministerielle Bestimmung“ als „einen Ausfluss der tendenziösen Behandlung der Wedeckschen Untersuchung“ zu bezeichnen, welcher darauf beruhte, sie unbekümmert um das Interesse für Seine Königliche Hoheit den Prinzen Carl auszubeuten, und ihn – den Nörner – „zu stürzen“ - so liegt in dieser Behauptung des Nörner eine so grobe Verunglimpfung einer von mir als Justiz-Minister im Interesse des Dienstes getroffenen amtlichen Anordnung, dass, wäre diese Verunglimpfung in einem anderen Schriftstücke enthalten, ich sofort auf dem disziplinarischen Wege wider den Verfasser würde einschreiten lassen.

Hiervon muss ich natürlich, da jene Eingabe mir durch Eure Königlich Hoheit allergnädigsten Befehl zum Berichte zugefertigt worden ist, absehen; ich glaube aber jenen Allerhöchsten Befehl nicht so verstehen zu müssen, als ob Euer königliche Hoheit damit eine Rechtfertigung gegen den mir gemachten Vorwurf des Amtsmissbrauches zu tendenziösen Zwecken hätten befehlen wollen.

Dass der Wenzel in der Wedeckschen Voruntersuchung, mündliche Information durch Seine Königliche Hoheit den Prinzen Carl höchstselbst empfangen hat, erfahre ich aus der Eingabe des Nörner zuerst; ich kann aber in diesem Umstande keinen Grund erkennen, denselben bei der hiesigen Staatsanwaltschaft länger, als bis zum 1. Februar künftigen Jahres zu belassen, da einerseits zu erwarten steht, dass das Verfahren wider Wedecke bis dahin zum Abschlusse gediehen, andererseits der Nörner nur deshalb noch nicht vom Amte suspendiert ist, um in der Wedeckeschen Sache fungieren zu können.

Nach diesem neuen Beweise seiner Auflehnung gegen die ihm vorgesetzten Dienstbehörden dürfte ich es allerdings zu bedenken haben, dass ich von der Einleitung der disziplinarischen Untersuchung und Suspension desselben vom Amte abgesehen und dieselbe bis zu dem oben bezeichneten Zeitpunkte ausgesetzt habe, wenn aber der Nörner die Wedecksche Untersuchung dazu benutzen will, um das wider ihn beschlossene Verfahren überhaupt abzuwenden, so kann ihm hierin nicht nachgegeben werden.

Denn es ruht, wie Eurer Königliche Hoheit aus dem erstatteten alleruntertänigsten Vortrage bekannt ist, auf ihm ein schwerer Vorwurf:

- dass er eine Aussage, die er als Zeuge in einer Untersuchung eidlich er..., demnächst in einer anderen Untersuchung in einem wesentlichen Punkte als unwahr hat eingestehen müssen,

- dass er sich grober Schmähungen gegen seine Dienstvorgesetzen schuldig gemacht,

- und dass er bei der Verhaftung des Wedecke durch Hinüberlockung desselben auf Badisches Gebiet mittels einer trügerischen Briefes, ein Verhalten an den Tag gelegt, welches die Ehre der Preußischen Justiz geschädigt und durch welches er sich selbst als des Ansehens und Vertrauens , welche sein Beruf erfordert, unwürdig gezeigt hat.

Der Nörner will zwar glauben machen, dass Alles, was er in dieser Sache getan, nur aus aufopfernder Hingebung für das Interesse Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Carl und das Königliche Haus geschehen sei; ich kann aber nicht anerkennen, dass durch das, was bisher geschehen, den Interessen Seiner Königlichen Hoheit und denen des Königlichen Hauses gedient worden sei, glaubte vielmehr umgekehrt, dass dieselben durch die geschehenen Schritte aufs Äußerste gefährdet worden sind.

Schon ist der Antrag gestellt, die in den Jahren 1847/48 gegen den Wedecke gepflogenen Verhandlungen, die früher dem Kabinetts-Archiven einverleibt gewesen, von diesem aber im März 1848, als nicht dahin gehörig, wieder abgegeben worden und seither beim Kammergerichte versiegelt affirmiert worden sind, dem Untersuchungsgerichte auszuantworten. Ich habe dem Antrage nicht willfahrt, weil ich die Akten zuvor einer Prüfung unterwerfen wollte und aus dieser habe ich die Überzeugung gewonnen, dass, wenn der Inhalt derselben abermals Gegenstand gerichtlicher Verhandlungen werden sollte, das geradezu als eine Kalamität anzusehen sein würde.

Ich habe deshalb auch beschlossen, die Ausantwortung der Akten dem Untersuchungsgerichte gegenüber abzulehnen; es steht aber zu fürchten, dass auch der Angeschuldigte sich zu seiner Verteidigung auf den Inhalt jener Akten berufen wird, und es fragt sich, ob einem solchen Antrage gegenüber die Zurückhaltung derselben gesetzlich aufrecht zu halten sein wird.

Überhaupt steht das Wiederaufleben jener älteren Angelegenheit in der jetzig eingeleiteten Untersuchung zu besorgen, und ich habe deshalb vom ersten Augenblicke, als ich durch den damaligen Minister Präsidenten Freiherrn von Manteuffel erfuhr, dass ein neues Einschreiten gegen den Wedecke beabsichtigt werde, auf das dringendste davor gewarnt, und zur Vorsicht angeraten.

Denn es ist noch in zu wacher Erinnerung, wie schwer es im Jahre 1848 gefallen ist, die damals eingeleitete Untersuchung zu einem, die Interessen Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Carl wahrenden Abschlusse zu bringen und wie noch später erhebliche Opfer haben gebracht werden müssen, auf welche der Wedecke Ansprüche zu haben behauptet.

Ob das jetzt wider denselben eingeleitete Verfahren zu einer gerichtlichen Verurteilung führen wird, vermag ich nicht zu übersehen, da mir nicht hinreichend bekannt ist, was ihm zur Last gelegt wird und ob event. dafür die Beweise zu erbringen sein werden. Aber auch eine wirklich herbeigeführte Verurteilung scheint mir schon jetzt eingetretenen Nachteilen, vornehmlich dem Wiederaufleben der gegen Seine Königliche Hoheit den Prinzen Carl vorgebrachten verleumderischen Gerüchte zu schwer erkauft.

Dass durch die von dem Staatsanwalt Nörner mittels einer trüglich verfassten Briefes ausgeführte Verlockung des Wedecke auf Badisches Gebiet dem Ansehen und dem Vertrauen zur Preußischen Justiz eine schwere Wunde geschlagen wurde, habe Eurer Königlichen Hoheit ich in dem gehaltenen Vortrage des Näheren dazulegen die Ehre gehabt.

Die Bekanntmachung, welche der Nörner später unter dem 26. November in der Karlsruher Zeitung veröffentlicht hat, und welche, wie die untertänigst beigefügte Nummer 286 der Voßischen Zeitung ergibt, in Preußische Blätter übergegangen ist, umgeht nicht nur den Hauptpunkt, das dem Verfahren zum Vorwurfe gemacht wird, nämlich:

- die trügerische Verlockung des Wedecke auf badisches Gebiet, sondern bietet auf eine neue Handhabe zu Angriffen auf die Preußische Rechtspflege, indem darin angegeben wird:

- dass der Wedecke von einem Preußischen Polizeibeamten auf Badischem Gebiete verhaftet worden sei. Hierin würde offenbar eine grobe Verletzung fremden Bundesgebietes liegen, und der Ober-Staatsanwalt hat deshalb nicht mit Unrecht die Veröffentlichung jener Erklärung gemißbilligt.

Der Nörner hat zwar hierauf zu seiner Rechtfertigung vorgebracht:

„dass die Erklärung von ihm unter Höchstpersönlicher Zuziehung Seiner königlichen Hoheit des Prinzen Carl von Preußen entworfen und von höchstdemselben Eurer Königlichen Hoheit vorgelegt, Satz für Satz genau erörtert, und ihn demnächst mittelst des anliegend in Abschrift ehrerbietigst beigefügten Erlasses Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Carl von Preußen vom 29. vorigen Monats zur Veröffentlichung zu gefertigt worden sei.“

Indessen ist ihm hierauf schon vom Ober-Staatsanwalt eröffnet worden, dass wenn Eure Königliche Hoheit und Seine königliche Hoheit der Prinz Carl von Preußen jene Bekanntmachung im Vertrauen auf seine Rechtskenntnisse genehmigt hätten, es nur zu bedauern sei, dass er diesem Vertrauen so wenig zu entsprechen vestanden hat

Was den in seiner Eingabe enthaltenen Schlussantrag betrifft, durch einen mir zu erteilenden Befehl zu erwirken, dass der Ober-Staatsanwalt Schwarck angewiesen werde, das wider ihn in Aussicht gestellte Verfahren zu sistieren, so habe Eurer Königlichen Hoheit ich bereits unter dem 5. dieses Monats ehrfurchtsvoll angezeigt, dass das von mir in Gemäßheit des § 23 des Gesetzes vom 21. Juli 1852 wider den Nörner beschlossene auf Dienstentlassung einzuleitende Verfahren unterweilen noch ausgesetzt bleiben soll.

Diese Aussetzung der eigentlichen Disziplinar-Untersuchung darf aber keinen Grund abgeben, auch diejenigen Maßnahmen auszusetzen, welche erforderlich sind, den Tatbestand der wider den Bezichtigten vorliegenden Anschuldigungen festzustellen und einer Verdunklung derselben vorzubeugen.

Nur solche Maßnahmen sind getroffen, dadurch aber der Nörner in seiner Wirksamkeit überhaupt und ... insbesonderen in der Wedeckschen Untersuchung nicht behindert werde.

Dass er demnächst über die gegen ihn vorliegenden Anschudigungspunkte gehört und ihm Gelegenheit gegeben werden muss, sich darüber zu äußern und dagegen zu verteidigen versteht sich nach der bestehenden Gesetzgebung, insbesonder in den §§ 32 u. folgende des angezogenen Gesetzes vom 21. Juli 1852 so von selbst, dass in der Tat nicht noch wohl abzusehen ist, wie ein Rechtsverständiger es für nötig erachten kann, dies als eine den Justiz-Minister aufzugebenen Maßregel zu beantragen.

Die Eingabe des Nörner füge ich in Ehrfurcht wieder bei.

Berlin den 23. Dezember 1858 (Unterschrift: ) Simons



1 s. Zeitung vom 3.12.1858

2 ebd.

3 GStA PK, BPH, Rep. 192, NL Saegert, K.W., Nr. 99

4 GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080: Zus. mit den zwei anderen Artikeln v. 5. u. 8. Dez. aufgeklebt auf einem Blatt

5 GStA PK, BPH, Rep. 192, NL Saegert, K.W., Nr. 99

6  Wedecke war in Hermsdorf, heute Słobity  geboren worden. Geadelt wurde er nie.  

7 Damit ist wohl sein Gepäck gemeint

8  GStA PK, https://de.wikipedia.org/wiki/Pratteln#Geschichte

9  GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080: Zus. mit den zwei anderen Artikeln v. 26. Nov. u. 8. Dez. aufgeklebt auf einem Blatt

10 s. https://de.wikipedia.org/wiki/Aplomb – selbstsicheres Auftreten

11 GStA PK, III. HA, MdA, ZB Nr. 1080: Zus. mit den zwei anderen Artikeln vom 26. Nov. und 5. Dez. aufgeklebt auf einem Blatt

12 https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Simons - ( 1803 – 1870), zw. 1849 – 1860 preuß. Justizminister

13 GStA PK, BPH, Rep 59 I, 29, Bl. 51ff