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November -Dezember 1847

 

13. Nov.: Brief eines Berliner Bürgers an Fürst Wittgenstein: gegen Dr. Freyberg und Geheimen1:

Eu. Durchlaucht erlaubt sich ein hiesiger Bürger, der es für seine Pflicht hält. Eu. Durchlaucht darauf aufmerksam zu machen, anzuzeigen, dass gegen den Doktor E. Freyberg und den Geheimen Rat Wedecke beim hiesigen Staatsanwalt des Kammergerichts dem Herrn Geheimen Justizrat Wenzel, Sachen vorliegen, die für Eu. Durchlaucht von dem größten Interesse sein dürften. Auch sollen bei (?)  vorgestern Mittag sämtliche Papiere in Beschlag genommen sein.

Ich habe die Ehre mich zu nennen  
Euer Durchlauchtigester ganz ergebenster
Scholz 
Kleidermacher

 

Ca. 22. November, vermutlich in der Magdeburger Zeitung2 bzw. ein Nachdruck in einer Berliner Zeitung, zufinden als ein ausgeschnittener Zeitungsausschnitt im Nachlass des Fürsten Wittgenstein, dem dieser zugeschickt wurde:

„(Magd.3) Großes Aufsehen machen die polizeilichen Recherchen, welche nach dem allgemeinen Stadtgespräch zur Ermittlung eines angeblich großen Verbrechens hier und anderen Orten vor einigen Tagen stattgefunden haben, und mit dem man Hausdurchsuchungen bei einem mit einer Concession zu einem industriellen Unternehmen beliehenenen ehmaligen Literaten der 'guten Presse' und bei einem ehemaligen Diplomaten, der sich seitdem bei großen industriellen und merkantilen Unternehmungen beteiligt hat, auch als Verwalter von Geldern hoher Herren bezeichnet wird, so wie Vernehmungen hochgestellter Beamter in Verbindung bringt. Indessen sind die deshalb umlaufenden Gerüchte zu vage, dass wir auf dieselben einzughen uns enthaltenzu meinen glauben. Auch eine Reise des Staatsanwalts beim Kammergericht, die er in diesen Tagen nach Hamburg unternommen hat, soll damit in Zusammenhang stehen.“3



26 November 1847: Brief von Freyberg aus Berlin an den Justizminister Uhden4:

„Auf meine ganz gehorsamste Eingabe vom 10. dieses Monats, betreffend die Beschlagnahme meiner intimsten Privat-Korrespondenz und der Papiere der Omnibus-Komanie durch den Königlichen Staatsanwalt, Geheimen Justizrat Wenzel, ist mir von Eurer Exzellenz bis jetzt noch kein gnädiger Bescheid geworden.

Obzwar mir und dem Geschäfte, dessen … ich bin, durch die Beschlagnahmen diese Papiere schon die größten zukünftigen Verluste entstanden sind und durch die Art und Weise, wie die Beschlagnahme stattfand, der Arbeit des Omnibus-Geschäfts wahrscheinlich unwiderbringlich verloren ist – so wird meine Lage dennoch bei weitem durch neuere Gerüchte verschlechtert, die, wenn sie begründet sein sollten mich persönlich ruinieren und zugleich den vollständigen Bankrott des Omnibus-Unternehmens und aller dabei Beteiligten nach sich ziehen würden.

Man hat mir nämlich auf vertraulichem Wege mitgeteilt, dass meine persönliche Sicherheit nicht ungefährdet sei und dass man Seiten des Königlichen Staats-Anwalts ein Verhaftungsbefehl, eine sogenannte untersuchungshaft gegen mich verhängt werden soll.

Dieser Schlag würde, wie schon gehorsamst erwähnt, mich und mein Ettablissement zerschmettern und da ich mir keiner Vergehen bewusst bin

und jede gewünschte Kaution und sonstigen Garantien für mein persönliches Erscheinen in dem etwaigen Skrutina5l-Verfahren gerne bieten werde,

so rufe ich Eure Exzellenz gnädigen Schutz hiermit nochmals an und bitte ganz gehorsamst, zu befehlen,

dass bei dem etwa bevorstehenden Skrutinal-Verfahren mit möglichster Schonung gegen mich … werde und mir meine persönliche Freiheit gegen Ehrenwort und Kaution garantiert werde.

In tiefster Ehrfucht …..Der Direktor der Omnibus -Compagne Dr. Freyberg

10. Dezember 1847: Rechtshilfeersuchen aus Berlin an ... - s. Schreiben vom aus Hannover vom 14.12.1847 und an das Herzogl. Anhalt. Dessauisches Ministerium s. Schreiben vom 18.12.47

12. Dezember: Brief von Wedeke aus Köthen an den Fürsten von Wittgenstein, der ihm in den letzten Jahren einige Aufmerksamkeit geschenkt habe, was ihn so kühn mache, diesem ganz untertänigst sein Anliegen vorzutragen. Er dürfe ,,Berlin und Potsdam ohne Allerhöchtste Erlaubnis nicht besuchen6. Das sei die Ursache, dass seine Privatverhältnisse in Unordnung geraten seien „und die Verfolgungen, denen ich seit langer Zeit ausgesetzt bin, üppig fortwuchern. Wie weit letztere fortgeschritten sind, ist mir gegenwärtig unbekannt und nur höre ich, dass man den Wincklerschen Güter Verkauf und das Omnibus Geschäft benutzen will, um mich in Anklagezustand zu versetzen. Ein solcher Schritt wird zur Folge haben, dass ich mich nach allen Seiten hin verteidigen und diejenigen, die eifrig bemüht sind, mir ein … Grab zu öffnen, werden einen Skandal heraufbeschwören, von dem alle Welt Nachteile und nur die Zeitungsschreiber Vorteile ziehen werden.
Man unterstützt mich in politischer Hinsicht in jeder Weise. Man irrt, glaubt man, ich habe Fehler gemacht. Nie war ich wohlhabend und stehe vollkommen rein da! - “

Er bittet den Fürsten zum allgemeinen Frieden beizutragen, spricht wieder die Gefahr der Zeitungen an und bittet ihn dann, dass er veranlassen möge, dass sein Haus in der Schönburger Strasse für den Wert der eingetragenen Hypotheken für eine höchste Summe angekauft werde und
dass der Dr. Freyberg den „B: Cohn7, welcher meinen Teil beim Omnisbus-Unternehmen“ hat, diesen sofort in die Omnibus Consession mit aufnimmt.“ Zum Schluss nennt er als Überbringer dieses Briefes Herrn Aubert8, „welche die Ehre hat dieses untertänigste Schreiben zu überweisen“ Er werde Sr. Durchlaucht bei Fragen noch weitere Auskunft geben können.9



Am 12.12.1847 schreibt König Friedrich Wilhelm IV. an Uhden10, wenn er etwas über die „Expedition contra Wedeke in Golßen11?“ erfahre, dann möge er es ihn in wenigen Worten wissen lassen.12



Am 14. Dezember 1847:

Eurer Exzellenz halte ich mich verpflichtet, nachträglich ganz ergebent in Kenntnis zu setzen, dass … Requisition13 vom 10ten …, wegen des zu bewerkstelligten Verhaftung des schwerer Verbrechen angeklagten .. Wedeke durch den Herrn Staatsprocurator, Geheimen Justizrats Wentzel zu meinen Händen gelangt ist. Dass es zur Erreichung des Zweckes meiner Bazinischen Kunst zu der ich jedenfalls völlig bereit gewesen wäre, nicht bedurft hat, wird Eurer Exzellenz berichtet sein.

Ich benutze mit Vergnügen diese Angelegenheit Eurer Exzellenz die Vorführung meiner vollkommensten Hochachtung zu erneuern.

Hannover, den 14. Dezember 1847

Königlich- Hannoversches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten Vermöge besondenren Auftrages - (Unterschrift)



18. Dezember 1847: Herzogl. Anhalt. Dessauisches Ministerium Dr. ….
An das Königliche Preußische Hof-Ministerium der auswärtigen Angelegenheit zu Berlin15

Das Königlich Preußische Hof-Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten beehrt sich das unterzeichnete Ministerium ganz angebracht zu benachrichtigen, dass auf die geehrteste Mitteilung vom 10./11. des Monats, den Geheimen Hofrat Wedecke betreffend, sofort an die hiesige herzogliche Kammer und das Landes-Direktions-Kollegium zu Köthen verfügt worden ist, dass dem geehrtesten Antrag Genüge geleistet, übrigens aber die Sache mit der größten Verschwiegenheit behandelt wurde. Der Erfolg dieser Verfügung wird dem Königlich Preußischen Hohen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten ohne Zweifel bereits bekannt sein.
Mit besonderem Vergnügen benutzt das unterzeichnete Ministerium diese Verhaftung zu den wiederholten Versuchen seinen ausgezeichneten Hochachtung und größten Verehrung.

Dessau, den 18. Dezember 1847



Varnhagen schrieb am Sonntag, dem 19.12.1847 in sein Tagebuch16: „Unser ehemaliger Generalkonsul in der Moldau und vielfacher Vertrauendiener Wedeke, einst mit dem Prinzen Karl, dann mit Wittgenstein17 und Eichhorn18 sehr verwickelt, jetzt durch den Polizeimeister Duncker gefänglich hier eingebracht um des Unterschleifes19 und mancher Betrügereien bezüchtigt, soll dem öffentlchen Gerichtsverfahren entzogen werden, heißt es.“



Am Montag, dem 20.12.1847 schreibt Varnhagen in sein Tagebuch: : „Die Geschichte mit Wedeke scheint sehr ernstlich und weitgreifend. Man sagt, die Prinzen von Preußen und Karl seien darein verwickelt, der Güterkauf in Schlesien komme zur Sprache ec. Ein Dr. Freyberg, früher sehr von der Regierung gebraucht, jetzt Gatte der Fräulein Cerf, Teilnehmer an dem Omnibus ec, soll Gelder des Prinzen Karl zu der omnibus-Anstalt erhalten, aber keine Zinsen gezahlt haben, daher Klage, Untersuchung der Papiere, Entdeckung von Beamten-Schmutzereien in großer Anzahl. In Folge dieser Papiere denn auch Wedeke's Verhaftung“20


Am 22. Dezember schreibt Friedrich Wilhelm IV Ober-Kammerherrn und Staatsministervon Wittgenstein :und den Staats- und Justizminister Uhden21:

Da Ich in Erfahrung bringe, dass unter den mit Beschlag belegten Papieren des verhafteten Geheimen Hofrats a.D. E. Wedecke sich auch solche befinden, welche Meinen Bruder, den Prinzen Carl Königliche Hoheit betreffen, so beauftrage Ich Sie als Kommissarius unter Zuziehung des Staatsanwalts als Mitkommissarius , auch wenn Sie, der Fürst von Wittgenstein es nötig erachten, unter gleicher Zuziehung des Wirklichen Geheimen Ober-Regierungsrats von Raumer zur Kommission, mit der schleunigen Durchsicht der sämtlichen mit Beschlag belegten Papiere, welche den Prinzen Carl Königliche Hoheit betreffen, da Sie als solche zu den Königlichen Akten gehören und Mir vorzulegen sind. Sollten sich darunter welche befinden, welche zu der eingeleiteten Untersuchung erforderlich erscheinen, so so sehe ich darüber mit Ihrem Bericht über den Inhalt der ausgesonderten Schrifftstücke, Ihrer besonderen Anzeige zu Meiner Entschließung entgegen.

Berlin den 22. Dezember 1847. gez. Friedrich Wilheln


Am Samstag, dem 25.12.1847 notiert Varnhagen: „Steckbrief hinter den entwichenen Dr. Freyberg2223

30. Dezember: Brief des Fürsten Sayn-Wittgenstein an den Geheimen Staats- und Justizminister Herrn Uhden Exzellenz24:

In unserer gestrigen Konferenz äußerte ich die Vermutung, dass sich unter manchen Papieren etwas vorfinden könnte, was die Angelegenheit eines Barons d'Hanens und seine Verhältnisse mit dem … Wedecke beträfe, es hat sich aber nur das anliegende Originalschreiben25 des B. d'Hanens vorgefunden, welches die Anzeige enthält, dass er sich im Besitz von Papieren befindet, welche den Prinzen Carl wegen seiner Korrespondenz mit E. Wedecke kompromitieren würde, dieser ...Hanens ist mehrere Male bei mir gewesen, um mich von den Betrügereien des Wedecke und wie der Prinz Carl durch denselben kompromitiert würde, zu unterhalten: mir waren die traurigen Verhältnisse aus manchen Wahrnehmungen schon bekannt und ich wollte mich nicht gern mit einer solchen schmutzigen Wäsche befassen, so habe ich mich um diese Angelegenheit wenig bekümmert und nur die Erzählungen angehört. Eurer Exzellenz stelle ich gehorsamst anheim, ob Sie es angemessen finden, dieses Schreiben nebst dem Billet des Barons d'Hanens dem Herrn Staats-Anwalt mitzuteilen.

gez. Fürst zu Sayn-Wittgenstein

Soeben bringt mir der Geheime Hofrat Paascher, dem ich diese Papiere zur Aufbewahrung übergeben, noch ein weiteres Schreiben des B. d'Hanens mit dem beiliegenden Kontrakt mit Wedeke.

 

1 GStA PK, BPH, Rep. 192 Ml Wittgenstein, W.L.G. Zu, III Nr. 5,1-3, Bl 69

2 s.: https://de.wikipedia.org/wiki/Magdeburgische_Zeitung

3 Es folgt die erste Zeile des nächsten Artikels „Magdeburg 22. Nov. (Die Neue Gemeinde), s. NL Wittgenstein, Bl. 74.

4 GStA PK, BPH, Rep 59, Nr. 28, Bl. 28

5 = Prüfungs-Verfahren

6 s. Zeitungsartikel von Anfang Januar

7 s. https://de.wikipedia.org/wiki/Cohn – ein Mediziner Bernhard Cohn (1827-64) – bisher ohne Artikel dazu

8 Etwa Karl August Ferdinand Aubert, der Königlich preußischen Regierungs-Hauptkassen-Kontrolleurs und Hofrat? s. zu seinem Sohn: https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Aubert

9 GStA PK, NL Wittgenstein, Bl. 75, Der Brief wurde nicht von Wedeke selbst geschrieben. Seine eigene Handschrift wirkt fahrig und ist schwer lesbar.

10 Alexander Uhden, von 1840 bis zum 20. März 1848 Justizminister, s. https://de.wikipedia.org/wiki/Alexander_von_Uhden

11https://de.wikipedia.org/wiki/Gol%C3%9Fen – Golßen in der Niederlausitz?

12 GStA PK, Rep 59, Nr. 28, Bl. 2

13 Ein veralterter Begriff für ein Rechtshilfeersuchen: s.https://de.wikipedia.org/wiki/Requisition

14 https://de.wikipedia.org/wiki/August_von_Kanitz (1783 – 1852) – Vertrauter des Königs und als solcher Kriegsminister vom April – Juni 1848

15 GStA PK, III; HA MdA, ZB Nr. 1080

16 Aus dem Nachlass Varnhagen von Ense. Tagebücher von K.A. Varnhagen von Ense, Band 1-5, Leipzig F.A. Brockhaus, Bd. 4, 2. Auflage 1863, S. 169, 25.12.: S. 171

17 Heinrich von Wittgenstein (https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Wittgenstein) (1797-1869) als Unternehmer Aufsichtsratsvorsitzender der Cöln-Mindener Eisenbahn, 1848 Regierungspräsident von Köln, hier ist aber wohl

18 https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Friedrich_Eichhorn

19 https://de.wikipedia.org/wiki/Unterschleif: „(veraltet hochdeutsch) Unterschlagung bzw. das zu einer Gewohnheit gewordene Unterschlagen (Unterschleif treiben)“

20 Aus dem Nachlass Varnhagen von Ense. Tagebücher von K.A. Varnhagen von Ense, Band 1-5, Leipzig F.A. Brockhaus, Bd. 4, 2. Auflage 1863, S. 169, 25.12.: S. 171

 

21 GStA PK, III.HA MdA, ZB Nr. 1080, Blatt 80 – Abschrift des Briefes

22 Freyberg – ein weit verzweigtes Adelsgeschlecht – er selbst wird nicht bei Wikipedia genannt

23 Aus dem Nachlass Varnhagen von Ense. Tagebücher von K.A. Varnhagen von Ense, Band 1-5, Leipzig F.A. Brockhaus, Bd. 4, 2. Auflage 1863, 25.12.: S. 171

24 GStA PK, III. HA MdA, ZB Nr. 1080, Bl. 81

25 Vermutlich das Schreiben vom 1. 8.1847 – siehe oben